Archiv für den Tag 10. Mai 2016

10.05.2016 – Die Kathedrale von Chartres – ein Highlight am heutigen Tag

Unsere Unterkunft ist sehr gepflegt und macht einen offenen und hellen Eindruck. Nach dem französischen Frühstück ( ohne Wurst und Käse) ging es zum Ausgangspunkt bzw. Etappenziel vom Vortag. Bereits tags zuvor hatten wir schon die zwei hohen Kirchtürme der Kathedrale am Horizont gut erkennen können. In Loinville ging es auf die rund 6 km lange Etappe überwiegend über Graswege an Coltville vorbei bis nach Gasville. Am Vortag und in der Nacht hatte es ordentlich geregnet, so dass unsere Schuhe nun zunächst von jeglichem Schmutz gereinigt wurden, gleichzeitig aber die Gefahr bestand, dass unsere Schuhe die Nässe irgendwann durchlassen.
Aber nicht nur wir waren unterwegs, sondern viele Hasen und drei Rehe fühlten sich von uns gestört.
Mit jedem Schritt weiter kam die Kathedrale näher und wir Pilger (genauer gesagt ich) überlegte, was wir in den vielen Stunden, die unser geistlicher Chef dafür eingeplant hatte, in der Kirche sehen können. Also eine Beichte war für mich keine Option. Wer auf dem Weg des Hl. Martin pilgert wird bereits zu Beginn der Pilgertour in Zusammenarbeit mit dem Hl. Petrus ordentlich gereinigt. Durch die Pilgertour, vor allem unter den wachsamen Augen eines Prälaten ist keine Chance vorhanden, selbst wenn wir wollten, z.B. einen kleinen sündhaften Fehltritt in übermäßigem Essen oder Trinken zu begehen. Selbst der Genuss von mehreren Bountys wird zur Herausforderung.
Der Hl. Martin wird schon nicht so streng mit uns sein.
Als der kleine Anstieg in Chartres zunächst den Blick auf interessante und beeindruckende Gebäude und dann auf die Kathedrale eröffnete, zeigte sich, was diese Stadt prägt und mir welcher Ausstrahlungskraft die Kathedrale hat und wie dies imponiert und in ihren Bann zieht. Bewundernd gingen wir in der Kirche umher, von einem Fenster zum andern, von der Rosette zum Labyrinth, einfach beeindruckend. Unser traditionelles gemeinsames Gebet, Kerzen stecken für persönliche Anliegen und dann die Suche, wo ist das Fenster mit den Motiven vom Hl. Martin.
Wir hatten die Suche nach dem weißen Pferd und dem grün gekleideten Hl. Martin als Anhaltspunkt ausgesucht. Glücklich und zufrieden standen wir nun vor den verschiedenen Motiven vom Hl.Martin. Wolfgang hatte dann sogar noch für uns einen Druck von diesem gesamten Fenster organisiert. Einfach toll.
Ohne Beichte bzw. Beichtgespräch, auch unser Vorbild Werner Redies war nicht bei der Beichte, ging es vorbei an schönen Häusern und den Kirchen Saint-Aignan und Saint-Pierre entlang von einem Bach mit Namen L’Eure stadtauswärts. In Morancez war die Kirche offen und wir durften unser Etappen-Abschlussgebet dort sprechen.
Nach insgesamt 26 km war die Tagesetappe in der folgenden Gemeinde Ver-lès-Chartres mit der Kirche dann zu Ende.
Der heutige Tag war wieder ein Highlight und für dies Kirche braucht man wirklich Zeit, da bin ich bekehrt. *

Eugen Engler, Werner Redies, Wolfgang Bucher und Josef Albrecht
* Die letzten 4 Worte sind eine Anmerkung der Rechtsaufsicht, nicht des Verfassers des Berichts!

10.05.2016 – Bilder des Tages

Erstes Ziel des Tages

Die Kathedrale von Chartres, die wir schon seit fünfzehn Kilometern sehen und sie doch noch nicht erreicht haben und das sehnsüchtige Schauen von Wolfgang


Vor dem Martinusfenster in der Kathedrale in der man aus dem Staunen nicht herauskommt


Nach dem Besuch der Kathedrale, die herrlich renoviert wird und die unendlich vielen Geschichten und Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament wieder zum Leuchten bringt noch ein Blick in die Gassen!

10.05.2016 – DAS ANDERE TAGEBUCHS – Teil 2 

FREITAG EIN GANZ BESONDERER TAG

Die Champagne begrüßt uns mit warmen Wetter, Sonnenschein – natürlich mit ihrem Gold: den herrlichen Weinbergen. Für den Pilger gibt es ein weiteres Highlight: Nämlich den weichen Sandboden, Balsam für die Füße! Unser Weg zieht sich bis zum Horizont, die Stimmung ist einfach super! So gegen 11 Uhr erreichen wir den Ort Beru. Eine romanische Kirche hat Wolfgang, der unser Auto fuhr, sofort ins Auge gefasst und als Martinuskirche und vermutlich als Kostbarkeit entdeckt. Natürlich, dass mein Mitstreiter in Sachen Kultur, Wolfgang und ich, dieses Kleinod sehen mussten! Während unsere Routenngänger eilig weiterzogen, lief ich an der Hauptstraße von Haus zu Haus, klingelte oder klopfte: Erster Versuch, zweiter Versuch – jedesmal waren die Leute überrascht, dass jemand in die Kirche wollte. Sie wüssten nicht wie man da reinkommt. Dritter Versuch: Kirche hier im Ort, gibt’s denn das? Ach ja, das da, war ich noch nie drin. Vierter Versuch: ein Mann mittleren Alters machte die Türe auf und auf meine Frage streckte er mir seine Gebetskette entgegen und fing an herzlich zu lachen. Das war so ansteckend, dass wir gemeinsam lachten und uns herzlich umarmten. Er war auch noch nie in diesem Gebäude wie er sagte, aber so fünf Häuser weiter würde ein Mann wohnen, der da immer wieder reinginge. Der hätte offensichtlich einen Schlüssel. Also trabte ich dort hoch und fand einen alten, etwas mürrisch dreiblickenden Mann, der mir ziemlich unwirsch bedeutete, dass er nichts von einem Schlüssel wüsste! Ok, noch einen Versuch wollte ich machen. Im nächsten Haus traf ich einen jungen Mann in einem älteren Jogginganzug von der Marke Trigema. Nach kurzem Staunen über mein Begehr, sagte er, er wisse zuverlässig wer einen Schlüssel habe. Er nahm mich zu eben dem Haus des alten Mannes, bei dem ich vorher war. Dieser erschrak, als er uns beide sah und ging ohne ein Wort sofort ins Haus und kam etwas beschämt mit zwei Schlüsseln wieder. Der junge Mann sagte, dies ist mein Vater, der wird Ihnen jetzt die Kirche aufschließen und zeigen. Der alte Mann schlürfte vor mir her zur Kirche wo Wolfgang wartete und schloss nach mehreren Versuchen die Kirche auf. Diese zeigte sich als Kleinod aus dem 11. Jahrhundert. Als der Herr sah, dass wir beide ein Gebet sprachen und glücklich den original romanischen Innenraum betrachteten, entspannten sich plötzlich seine Gesichtszüge. Und er verabschiedete uns herzlich.

DER KONTRAST
Wiederum auf einer Anhöhe kurz vor Reims, wieder ein deutscher Soldatenfriedhof, 1700 Tote im ersten Weltkrieg. Es macht einen großen Unterschied, ob man auf eine solche Gedenkstätte zu Fuß oder mit dem Auto stößt. Ein unglaublicher Eindruck! Vor gefallenen Soldaten in dieser Anzahl zu stehen ist etwas, was wir noch nie erlebt haben. Etwas beschämt stelle ich fest, dass ich als Schüler das Sammeln für die Kriegsgräberfürsorge oft für etwas Lästiges empfunden habe und die Notwendigkeit nicht wirklich einsah. Jetzt die Gräberfelder zu sehen, Soldatenfriedhöfe vieler Nationen zu sehen, auf das Sorfältigste gepflegt, beschäftigt mich. Oder ist es etwa nicht beeindruckend, wenn die Reihe der Kreuze immer wieder durch jüdische Grabstätte unterbrochen wird. Viele Jahre sind vergangen, doch die so jungen Toten spreche zu uns für ein friedliches und geeintes Europa.
MARTINUSKIRCHEN
Wenn man den Hügel zur Stadt Reims wieder zu hinuntersteigt, kommt sehr schnell eine weitere Martinuskirche. Es gibt dort kein Zeugnis, sondern nur eine ausführliche Geschichte zum Thema Martinus. Die Altstadt von Reims und deren Kathedrale kann man nicht beschreiben, man muss sich mitten in die Kathedrale auf einen der vielen Stühle setzen und das Staunen zulassen. Es dauert einige Augenblicke, aber es kommt und jedes Wort ist zuviel.
KIRCHENBESUCH
Am Sonntag wollte Wolfgang, der unser Versorgungfahrzeug fuhr, sieben Kirchen besuchen und für uns ihre Zugänglichkeit erkunden: Keine Chance! 

Es ist manchmal schon deprimierend ständig vor verschlossenen Türen zu stehen. Wie dankbar ist man da, wenn man eine meist älter Dame findet, die einem die Kirche aufschließt, in der immerhin ein oder zweimal im Jahr Gottesdienst gefeiert wird.

Voller Stolz erzählt sie Werner, dass sie Italienerin sei und als solche es als ihre Pflicht halte und schließlich, hätte sie auch drei Priester versorgt und ihnen den Haushalt geführt. 

Ich frage mich immer wieder: Ist dies auch die Zukunft unserer Kirchen?! Aber ein Schnäppchen hat der Heilige Geist “ den Ungläubigen“ doch geschlagen! Fast jede Kirche hat ein wunderschönes Geläut, das um zwölf und achtzehn Uhr die ganze Umgebung an die Anwesenheit eines Höheren Wesens verkündet. Es klingt einfach zu schön über den Bergen und Tälern um sich nicht davon bewegen zu lassen.

Josef Albrecht